Zum Niederknien!

Liebe Inklusoren*innen,

aus aktuellem Anlass. Einige Gedanken zur EM2020, also 2021. Eine Europameisterschaft spiegelt immer auch die Art, wie wir in Europa unser Zusammenleben gestalten. Bei diesem Turnier fielen einem einige Dinge besonders auf. Eine internationale Debatte entzündete sich z.B. an einer politischen Geste. Die Teams aus England, Wales und Belgien knien seit einiger Zeit vor ihren Spielen, manchmal auch das von Schottland. Mit dieser Symbolik aus der Black-Lives-Matter-Bewegung, mit der ursprünglich der NFL-Profi Colin Kaepernick gegen Rassismus protestierte, erinnern sie daran, dass wir alle gleiche Rechte haben und immer wieder dagegen verstoßen wird. Gareth Southgate hat die Bedeutung in einem offenen Brief an die Nation erklärt. „Es ist ihre Pflicht“, schrieb Englands Trainer über seine Spieler, „mit der Öffentlichkeit über Themen wie Gleichberechtigung, Inklusion und rassistische Ungerechtigkeiten zu interagieren.“ Die Geste wurde mancherorts kritisiert und diffamiert. Konservative englische Politiker lehnten sie ab, in den Stadien von Budapest und Sankt Petersburg wurden die knienden Belgier ausgebuht, Fußballfunktionäre bezeichneten sie als ‚Populismus‘. Doch das Symbol ist etabliert im Mannschaftssport. Es ist ein starkes Signal im Umgang mit anderen Identitäten, das jeder versteht. Ein wichtiges gemeinsames Bekenntnis, dass Hautfarbe keine Rolle spielt. Sehr viel Aufmerksamkeit, speziell in Deutschland, verursachte ein anderes Symbol der Diversität. Der Oberbürgermeister der Stadt München wollte die Arena am Tag des Spiels Deutschland gegen Ungarn in Regenbogenfarben beleuchten, um ein Zeichen gegen Homophobie und die ungarische Gesetzgebung zu setzen. Die Uefa hat das abgelehnt, weil die Botschaft direkt auf eine Entscheidung des Parlaments gezielt und daher das politische Neutralitätsgebot des Verbands verletzt hat. Dieses Verbot hat viel Kritik auf sich gezogen – von der queeren Community bis zu konservativen Parteien. Andere Stadionbetreiber aus Deutschland haben ihre Arenen aus Verbundenheit mit unterdrückten sexuellen Minderheiten an diesem Abend bunt angestrahlt. Auch in Deutschland gibt es einen großen Bevölkerungsanteil, der eine verdeckt oder offen feindselige Einstellung hegt – gegenüber Homosexuellen oder auch Geflüchteten. Viele Menschen ziehen eine Stärke daraus, dass sie eine Gruppe ausgrenzen und ihr negative Eigenschaften zuschreiben. Das ist unserer Meinung nach falsch und auch unnötig. Wir brauchen keine Feindbilder für unsere Identität, wir werden nicht stärker durch Abgrenzung, sondern durch Kooperation.
Was Solidarität ausmachen kann, hat der 12. Juni gezeigt. An dem Tag fühlte sich ein Kontinent einem dänischen Fußballer nahe. Christian Eriksen musste auf dem Platz wiederbelebt werden. Seine Mitspieler, die sofort einen Kreis um ihn bildeten, haben in dieser Stresssituation intuitiv gewusst, wie sie ihm beistehen können. Das nächste Spiel wurde zu seinen Ehren in der 10. Minute unterbrochen, alle haben ihm applaudiert, auch Gegner und Schiedsrichter. Nach dem Abpfiff umarmten sich Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand und der Belgier Romelu Lukaku, der im Spiel zuvor sein Tor seinem Mailänder Mitspieler Eriksen gewidmet hatte. Die Solidarität, die im Fall Eriksen zutage trat, war beispielgebend für ein Miteinander. Das ist auch bei der Herausforderung gefragt, die das Coronavirus, diesmal in der Deltavariante, noch immer an uns alle stellt. Wie kann das Turnier verantwortungsvoll durchgeführt werden? Wie unterstützen sich die verschiedenen Länder gegenseitig? Bekanntlich macht das Virus nicht vor Grenzen halt, sondern nur vor vernünftigen Entscheidungen. Die sind, gerade international, nicht immer frei von Konflikten. Woche für Woche, Tag für Tag müssen Inzidenzzahlen und andere Kriterien beobachtet werden. Wo das Finale stattfindet, ob wie vorgesehen in London oder woanders, wie es zur Debatte stand, ist zweitrangig. Die Antwort kann nur lauten: da, wo es sicher ist. Das Leid des Virus hat jede Nation gespürt, die eine früher, die andere später, die eine weniger, die andere mehr. „Die öffentliche Gesundheit muss Priorität haben“, sagt Boris Johnson. In Moskau wurde die Fan-Zone gesperrt. Klar ist freilich, dass nicht überall dieselben Regeln gelten. Die Euro 2020 führt uns aber eines ganz klar vor Augen:

Europa hat unterschiedliche Voraussetzungen, deshalb Bedarf auch ein Fußballturnier der ständigen Verhandlung. So ist das nun mal in der Demokratie. Oder?

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©Goldi

P.S.: Vielen, lieben Dank auch an RP-Online für das Video.